Was ist eine Agoraphobie mit Panikstörung?

Jeder Mensch hat Angst. Angst ist eine sinnvolle und wichtige Reaktion, die uns vor bedrohlichen Situationen warnt. Bei einer Panikstörung liegt jedoch eine ernstzunehmende Erkrankung vor, die das private und berufliche Leben stark beeinträchtigen kann.

So bekommen Menschen mit einer Panikstörung bei einer Angstattacke beispielsweise Brustschmerzen, Zittern, Luftnot, Schwindel, Übelkeit, Schwitzen oder Hitzewallungen. Sie fürchten, die Kontrolle über sich zu verlieren, verrückt zu werden oder zu sterben. Aufgrund der körperlichen Beschwerden gehen viele von ihnen zu einem Arzt oder in eine Notaufnahme. Eine körperliche Ursache für den Anfall kann jedoch nicht festgestellt werden.

Hat ein Mensch über einen Zeitraum von einem Monat hinweg mehrere Panikattacken, spricht man von einer Panikstörung.

Der Begriff „Agoraphobie“ (altgriechisch) kann wörtlich mit „Platzangst“ übersetzt werden. Die betreffende Person hat Angst, das Haus zu verlassen, sich auf öffentlichen Plätzen aufzuhalten, Kaufhäuser oder Geschäfte zu betreten, in Menschenmengen, Kinos oder engen geschlossenen Räumen zu sein, oder alleine mit Bahn, Bus oder Flugzeug zu reisen. Daher vermeidet sie diese Orte oder kann sich dort nur unter großer Angst aufhalten. Panikattacken und Agoraphobie treten häufig zusammen auf. Die Diagnose lautet dann „Agoraphobie mit Panikstörung“.

Wie häufig sind Agoraphobie und Panikstörung?

Agoraphobie und Panikstörung gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Fünf von 100 Menschen leiden mindestens einmal im Leben an einer dieser Störungen.

In Deutschland sind etwa 1,5 Millionen Menschen von Agoraphobie oder Panikstörung betroffen, Frauen doppelt so häufig wie Männer. Die Erkrankung tritt meist erstmals im jungen Erwachsenenalter auf.

Gibt es unterschiedliche Formen oder Verläufe?

In vielen Fällen treten zuerst Panikattacken auf. Menschen fürchten sich dann davor, bestimmte Orte wie zum Beispiel einen Bus, ein volles Kaufhaus oder ein fahrendes Auto im Falle einer Panikattacke nicht verlassen zu können. Aus dieser „Angst vor der Angst“ kann sich dann die Agoraphobie entwickeln.

Agoraphobien und Panikstörungen verschwinden ohne therapeutische Hilfe nur sehr selten. Werden sie jedoch fachgerecht behandelt, sind die Erfolgsaussichten gut. In vielen Fällen leiden die Patienten noch unter einer anderen psychischen Erkrankung. Am häufigsten treten andere Angsterkrankungen, Depressionen, somatoforme Störungen sowie Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch gemeinsam mit der Angsterkrankung auf.

Wie entstehen Agoraphobie und Panikstörung?

Meist sind mehrere Faktoren notwendig, damit die Erkrankung ausbricht. Auf biologischer Seite gibt es die genetischen Anlagen (Vererbung), die das Risiko für eine Angsterkrankung erhöhen.

Auch bestimmte Denkstile, Annahmen oder Verhaltensweisen (z.B. eine besonders ausgeprägte Beobachtung der eigenen Körpersignale) können mitverantwortlich sein. Ist einmal eine Panikattacke aus heiterem Himmel aufgetreten, bekommen die Betroffenen häufig große Angst vor einer erneuten Attacke und beobachten ihren Körper genau - ein Teufelskreis beginnt, da so normale Körperempfindungen (z.B. Herzschlag) viel intensiver wahrgenommen werden. Situationen, in denen Panikattacken aufgetreten sind, werden oft zunehmend vermieden, so kann zusätzlich eine Agoraphobie entstehen.

Etwa 80 von 100 Patienten berichten zudem, dass sie kurz vor ihrer Angsterkrankung einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften hatten (z.B. den Tod eines nahestehenden Menschen oder eine Trennung). Auch positiv-anstrengende Ereignisse (z.B. ein neuer Job oder Geburt eines Kindes) können Auslöser sein. Schließlich können auch lang andauernde Belastungen (z.B. dauerhafte Überlastung bei der Arbeit, Pflege eines Angehörigen) zur Entstehung einer Panikstörung oder Agoraphobie beitragen. Menschen, die schwerwiegende Erlebnisse in der Kindheit hatten (z.B. Tod, Krankheit, Alkoholmissbrauch in der Familie) scheinen ebenfalls anfälliger für Panikstörungen zu sein.

Wie findet man heraus, ob man eine Agoraphobie oder Panikstörung hat?

Sprechen einzelne Anzeichen für eine Agoraphobie oder Panikstörung, sollte ein Arzt oder Psychotherapeut aufgesucht werden.

In einem Gespräch wird dieser nach den einzelnen Beschwerden, dem allgemeinen Gesundheitszustand, der Familiengeschichte und nach körperlichen Erkrankungen fragen und überprüfen, ob eine Agoraphobie und/oder Panikstörung vorliegt. Fragebögen helfen dem Therapeuten, die Schwere der Erkrankung einzuschätzen und abzuklären, ob andere psychische Probleme als Ursache in Frage kommen. Eine körperliche Untersuchung kann klären, ob die Symptome körperliche Ursachen (z.B. Schilddrüsenüberfunktion) haben.

Wie werden Agoraphobien und Panikstörungen behandelt?

Wer seine Agoraphobie und/oder Panikstörung behandeln lässt, hat gute Chancen auf Heilung. Folgende Behandlungen kommen dafür in Frage:

Bei der Entscheidung für eine dieser Behandlungen ist es wichtig, die individuellen Vorlieben zu berücksichtigen. Wenn eine der beiden Behandlungsformen nicht geholfen hat, ist es empfehlenswert die jeweils andere auszuprobieren. Auch eine Kombination von kognitiver Verhaltenstherapie und Antidepressiva ist möglich - besonders bei schwereren Symptomen.

Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich unter den Psychotherapieverfahren als besonders wirksam bei Agoraphobien und Panikstörungen erwiesen. Bei dieser Therapie werden Denkmuster hinterfragt und bearbeitet und der Patient wird unterstützt, sich seiner Angst aktiv zu stellen. Zur psychodynamischen Psychotherapie gibt es weniger Untersuchungen. Wenn jemand aber eine psychodynamische Therapie bevorzugt, die kognitive Verhaltenstherapie nicht geholfen hat oder kein geeigneter Therapieplatz zur Verfügung steht, kann diese Therapieform auch angeboten werden.

Einige Ärzte verschreiben bei Ängsten zunächst Beruhigungsmittel (sogenannte Benzodiazepine). Diese reduzieren Ängste sehr schnell, können aber abhängig machen und werden daher nicht empfohlen. Sie sollten nur in Ausnahmefällen (z.B. bei schweren Herzerkrankungen, wenn Antidepressiva nicht geeignet sind oder bei Suizidalität) und nur für kurze Zeit verordnet werden.

Was können Freunde und Angehörige tun?

Bezugspersonen sind unmittelbar mitbetroffen, da gemeinsame Unternehmungen wie Reisen oder Kinobesuche mit einem Angstpatienten oft nicht möglich sind.

Gleichzeitig leisten sie viel, damit die betroffene Person ihren Alltag meistern kann. Sie begleiten sie beispielsweise beim Bus fahren oder zum Einkaufen. Solche Hilfestellungen sind gut gemeint und kurzfristig auch entlastend. Langfristig tragen sie aber dazu bei, die Erkrankung aufrechtzuerhalten.

Angehörige sollten daher gut über Panikstörungen bzw. Agoraphobie Bescheid wissen. Sie sind dadurch in der Lage, den Patienten und seine Erkrankung besser zu verstehen. Das hilft auch während einer Psychotherapie, in der sich Verhaltensmuster ändern können und sich dies auf das gemeinsame Leben auswirkt.

Und vor allem: Angehörige sollten sich selbst nicht zu sehr einschränken. Wird die Angsterkrankung des Partners, Familienmitglieds oder Freundes zu belastend, können sich auch Angehörige Hilfe bei Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Ärzten und Psychotherapeuten holen.

Heinrichs, N. (2007). Ratgeber Panikstörung und Agoraphobie, Informationen für Betroffene und Angehörige. Göttingen: Hogrefe.

Schmidt-Traub, S. (2016). Angst bewältigen: Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie 6. Aufl. Berlin: Springer.

Aktionsbündnis Seelische Gesundheit

5 von 100 Menschen

leiden im Laufe ihres Lebens an einer Panikstörung oder Agoraphobie

"[...] und auch sehr unsicher war, sobald ich vor die Tür gegangen bin, mich nicht mehr wohl gefühlt habe."

Erfahrene mit Agoraphobie und Panikstörung

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