Bitte beachten Sie, dass Gesundheitsinformationen die Gespräche mit Psychotherapeut*innen oder Ärzt*innen immer nur unterstützen, aber niemals ersetzen können.

Was ist eine Psychose?

Psychosen sind psychische Erkrankungen, deren Ausgestaltung abhängig vom Lebenskontext der betroffenen Person verschiedene Formen annehmen kann. Allerdings existieren Symptombereiche, die übereinstimmend bei vielen Betroffenen verändert sind. So können bei einer Psychose das Denken, Fühlen, Empfinden zum eigenen Körper und der Kontakt zu anderen Menschen verändert sein. Erkrankte Menschen haben häufig Mühe, zwischen der Wirklichkeit und der eigenen, subjektiven Wahrnehmung zu unterscheiden. Das kann dazu führen, dass sie Stimmen hören, die andere nicht hören, dass sie sich verfolgt oder bedroht fühlen (auch von Menschen, die ihnen nahestehen), dass sie Botschaften aus einer Welt erhalten, die anderen nicht zugänglich ist, oder, dass sie das Gefühl haben, sie würden sich körperlich verändern.

Für Außenstehende lässt sich die Psychose am ehesten als ein Zustand extremer Dünnhäutigkeit beschreiben. Innere und äußere Vorgänge sind kaum noch zu unterscheiden, die Nähe zu geliebten Menschen kann bedrohlich wirken.

Der Begriff ‚Psychose‘ wird heute als eine Art Überbegriff für verschiedene psychische Erkrankungen benutzt, bei denen Halluzinationen oder Wahn zu den auffälligsten Krankheitsanzeichen gehören. Hierzu zählen vor allem die Schizophrenie, sowie andere Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, bipolare Psychosen oder Psychosen im Kontext von schweren Depressionen.

Wie häufig sind Psychosen und wer ist betroffen?

Ein bis zwei von 100 Menschen erkranken einmal im Leben an einer Psychose. Allein an Schizophrenie leiden derzeit 51 Millionen Menschen weltweit. Erstmalig tritt die Erkrankung zumeist zwischen 12 und 29 Jahren auf. Männer und Frauen sind gleichermaßen gefährdet. Dennoch gibt es Risikofaktoren, die eine Psychose wahrscheinlicher machen.

Was sind Symptome einer Psychose?

Die Kernsymptome einer Psychose werden grob in drei Kategorien eingeteilt:

  • Positive Symptome (Wahn, Sinnestäuschungen, Ich-Störungen mit den jeweils dazugehörigen Einzelsymptomen)
  • Negative Symptome
  • Kognitive Symptome (Denkstörungen, neurokognitive Symptome)
Positives Symptom Wie Sie es empfinden können
Halluzination "Ich kann Geräusche, Gespräche oder Stimmen hören, obwohl ich alleine in einem ruhigen Zimmer bin. Andere Personen sagen, sie würden nichts hören. Ich bin mir aber sicher."
  „Ich sehe Menschen oder Dinge in Farben oder Formen verändert.“
  „In manchen Räumen riecht es schlecht, wie nach giftigen Gasen.“
  „Manches Essen schmeckt als wäre es vergiftet.“
Wahnvorstellung „Ich bin Opfer einer ungerechtfertigten Verfolgung“
  „Ich weiß, dass es Personen gibt, die es auf mich abgesehen haben und mich nicht in Ruhe lassen.“
  „Ich habe außergewöhnliche Fähigkeiten, die mich von anderen Personen unterscheiden.“
  „Ich stehe mit besonderen Mächten oder Personen in enger Beziehung.“
  „Ich bin für das Glück aller Menschen auf diesem Planeten verantwortlich.“
Negatives Symptom Wie Sie es empfinden können
Antriebsarmut „Morgens aus dem Bett zu kommen, fällt mir sehr schwer. Meist bleibe ich dann einfach liegen.“
  „Manche meiner Aufgaben kann ich nicht bewältigen.“
  „Manchmal habe ich keine Motivation, überhaupt rauszugehen oder meine Dinge zu erledigen.“
  „Ich fühle mich häufig niedergeschlagen und antriebslos.“
Sozialer Rückzug „Am Kontakt zu anderen Menschen habe ich das Interesse etwas verloren.“
Einschränkungen der Stimmung „Ich habe das Gefühl, dass ich mich gar nicht mehr so richtig freuen kann, ich kann mich gar nicht mehr richtig mitteilen.“
  „Ich spreche viel weniger als früher und überhaupt.“
  „Es fühlt sich so an, als wäre mir alles gleichgültig. Ich fühle mich teilweise wie betäubt, wie unter einer Glocke.“
 
 
Kognitives Symptom Wie Sie es empfinden können
Denkstörung „Manchmal kann ich einen Gedanken nicht zu Ende denken.“
  „Ich habe zu viele Gedanken gleichzeitig im Kopf.“
  „Ich kann mich manchmal nicht lange konzentrieren.“
  „Manchmal springe ich von einem Thema zum nächsten.“
  „Mein Gedächtnis funktioniert nicht mehr so wie früher“

Wie entsteht eine Psychose?

Jeder Mensch durchläuft in seinem Leben stabile und weniger stabile Phasen. Das heißt es gibt Zeiten, in denen alles läuft, und Zeiten, in denen viel passiert. Dazu gehören auch Umbruchphasen wie die Pubertät, der Schulabschluss, die Bindung an eine*n Partner*in, die Geburt eines Kindes oder der Verlust eines nahestehenden Menschen. Wenn in solchen Zeiten noch aktuelle Belastungen hinzukommen, kann für Menschen mit erhöhter „Vulnerabilität“ (Anfälligkeit) die Wahrscheinlichkeit zunehmen, an einer Psychose zu erkranken.

Vulnerabilität bedeutet Dünnhäutigkeit, Sensibilität, aber auch Verletzlichkeit. Menschen mit einer erhöhten Anfälligkeit sind angreifbarer und können in belastenden Lebensabschnitten mit psychotischen Symptomen reagieren.

Eine erhöhte Anfälligkeit entsteht durch verschiedene Faktoren: traumatische, das heißt schwer zu verarbeitende Erlebnisse, frühe Entwicklungsstörungen, familiäre Vorbelastungen, eine Verletzung oder schwere Infektion des Gehirns oder sehr früher und massiver Cannabiskonsum. Für „anfällige“ Menschen, auf die ein oder mehrere Faktoren zutreffen, ist es daher besonders wichtig, eigene, familiäre und soziale Stärken zu pflegen sowie Entspannungs- und Bewältigungsstrategien auszubauen.

Was sind erste Anzeichen einer Psychose?

Viele Symptome, die bei einer akuten Psychose auftreten, können in abgeschwächter Form bereits vorher vorhanden sein. Solche Frühwarnzeichen sind schwer zu erkennen. Erst im Nachhinein stellen viele Menschen fest, dass ein ungewöhnliches Verhalten lange vor Ausbruch der Psychose vorlag. Diese wurden jedoch missverstanden und beispielsweise dem Erwachsenwerden, einem Drogenmissbrauch oder persönlichen Eigenschaften zugeschrieben.

Die nachfolgende Liste soll helfen, typische Frühwarnzeichen einer Psychose zu erkennen:

Mögliche frühe Anzeichen für eine Psychose Wie Sie es empfinden können
Veränderung des Wesens Unruhe, Nervosität, Reizbarkeit, Erhöhte Sensibilität, Überempfindlichkeit, Irritierbarkeit, Schlafstörungen (exzessives Schlafen oder Schlafverzicht), Appetitlosigkeit, Selbstvernachlässigung, Tragen seltsamer Kleidung, Plötzlicher Mangel an Interesse, Initiative, Energie
Veränderung der Gefühle Depression, verflachte Gefühle oder Stimmungsschwankungen, Ängste – insbesondere Angst geschädigt/bedroht zu werden
Veränderung der Leistungsfähigkeit Geringe Belastbarkeit (vor allem bei Stress), Konzentrationsstörungen, erhöhte Ablenkbarkeit, Leistungsknick
Veränderung im sozialen Bereich Misstrauen, Sozialer Rückzug, Isolation, Probleme bei Beziehungen, Abbruch von Kontakten
Veränderung der Interessen Plötzliche ungewöhnliche Interessen z.B. für Religiöses oder übernatürliche Dinge, Magie usw.
Veränderung der Wahrnehmung und des Erlebens Ungewöhnliche Wahrnehmungen (z. B. Intensivierung oder Veränderung von Geräuschen und Farben; Gefühl, man selbst oder die Umgebung sei verändert; Gefühl, Dinge zu sehen, zu hören, zu schmecken oder zu riechen, die andere Menschen nicht wahrnehmen), Eigentümliche Vorstellungen und ungewöhnliches Erleben (z.B. Eigenbeziehungen, man bezieht Erlebnisse oder Handlungen bzw. Aussagen anderer Menschen auf sich selbst; Gefühl, beobachtet zu werden und Beeinflussungserleben (Gefühl, andere könnten auf mich oder meine Gedanken Zugriff haben, mich kontrollieren oder steuern))

Welche Formen gibt es?

Es existieren verschiedene Typen von Psychosen, die sich in ihren Ursachen, Symptomen und in der Dauer der Symptome voneinander unterscheiden:

  • Drogeninduzierte Psychose

Der Gebrauch oder das Absetzen von Drogen und/oder Alkohol kann mit dem Auftreten psychotischer Symptome verbunden sein. Normalerweise verschwinden die Symptome direkt nach Absetzen der Drogen.

  • Organische Psychose

Manchmal treten psychotische Symptome im Rahmen von Erkrankungen auf, bei denen die Gehirnfunktion gestört wird, zum Beispiel bei Enzephalitis (Entzündung des Gehirns), AIDS, Tumoren oder Epilepsie. Normalerweise sind dabei auch andere körperliche Symptome vorhanden.

  • Kurze psychotische Störung

Psychotische Symptome treten dabei zumeist plötzlich und häufig als Reaktion auf einen großen persönlichen Stress auf, zum Beispiel ausgelöst durch den Tod eines nahen Angehörigen. Die Symptome sind häufig sehr schwer, jedoch genesen die meisten Patient*innen wieder schnell.

  • Wahnhafte Störung

Das überwiegende Problem bei diesem Typ sind ausgeprägte Wahnvorstellungen. Andere Symptome treten nur vorübergehend und in milder Form auf.

  • Schizophrenie

Beschreibt eine psychotische Störung, bei der Verhaltensveränderungen und damit einhergehende Symptome über mindestens sechs Monate bestehen. Die Symptome und die Dauer der Erkrankung sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Viele Menschen führen trotz Schizophrenie ein glückliches und erfülltes Leben.

  • Schizophreniforme Störung

Es gelten die gleichen Kriterien wie bei der Schizophrenie, nur dass Veränderungen des Verhaltens und die begleitenden Symptome weniger als sechs Monate bestehen.

Wie verlaufen Psychosen?

Der Verlauf der Psychosen ist von vielen Faktoren abhängig und daher sehr unterschiedlich: Durch Langzeit-Studien mit Patient*innen, die unter Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis litten, konnte Folgendes festgestellt werden:

  • Bei 10 bis 15 von 100 Betroffenen treten Psychosen einmalig auf
  • Bei etwa 30 von 100 Betroffenen kommt es zu mehreren psychotischen Episoden, ohne weitere psychotische Symptome zwischen den Episoden.
  • Bei etwa 30 von 100 kommt es zu mehreren akuten psychotischen Episoden mit psychotischen Symptomen zwischen den Episoden.
  • Bei etwa 10 bis 20 von 100 kommt es direkt nach der ersten Episode zu dauerhaften psychotischen Symptomen.

Wie findet man heraus, ob man unter einer Psychose leidet?

Wenn Sie Kontakt mit einem Behandlungszentrum für Psychosen aufnehmen, erwarten Sie folgende Schritte:

Zunächst erfolgt ein Gespräch, am Besten mit Ihren Angehörigen zusammen, in dem Sie ausreichend Zeit erhalten, Ihre Belastungen, Ihre Lebensumstände und Ihr aktuelles Befinden zu schildern.
Dann stellen wir Ihnen ausführlich Fragen zu verschiedenen Lebensbereichen und Krankheitsanzeichen. Das hilft uns dabei, Ihre Situation besser zu verstehen und Sie und Ihre Familie besser kennen zu lernen. Häufig benötigt es mehrere Gespräche, die dann in Abhängigkeit von Ihrem Wunsch allein oder wieder zusammen mit Ihrer Familie stattfinden können.
Sollten eher diffuse, nicht genau erfassbare Anzeichen vorliegen, werden Ihnen regelmäßige ambulante Termine zur Kontrolle angeboten. Sollten Anzeichen für ein anderes psychisches Problem vorliegen, werden Sie an die zuständige Institution weitervermittelt. Befinden Sie sich aktuell in einer schweren Krise, wird versucht, Ihnen dabei unterstützend zur Seite zu stehen.

Sollten sich deutliche Zeichen einer beginnenden Psychose zeigen, erfolgt eine weitergehende Diagnostik. Dazu gehören eine standardisierte psychologische und körperliche Untersuchung, ein Bluttest, ein EKG, ein sog. EEG zur Abklärung, ob bei Ihnen ein Anfallsleiden besteht, und ein sog. CCT oder MRT, also eine Bildaufnahme Ihres Gehirns. Falls auch kognitive Probleme bestehen, kommt eine sog. neuropsychologische Testung hinzu. Alle diese Untersuchungen sind Routine und nicht schmerzhaft.
Während der Untersuchungszeit werden Sie weiterhin Kontakt mit einem* Therapeut*in haben, der Sie bei diesen Schritten begleitet.

Abschließend besprechen wir mit Ihnen ausführlich die Ergebnisse und die sich daraus ergebenden Schritte für eine weiterführende Therapie. Dabei ist es grundsätzlich wichtig sich in der Therapie aufgehoben zu fühlen, aber auch bei allen Therapieschritten mitentscheiden zu dürfen. Zudem ist es wichtig, dass die Angehörigen gut informiert und eingebunden sind und sich dementsprechend weniger Sorgen machen müssen.

Wie wird eine Psychose behandelt?

Zunächst ist es den Patient*innen wichtig, dass sie zur Ruhe kommen und die Reizüberflutung gemildert wird. Dabei hilft eine persönliche therapeutische Beziehung, die Orientierungshilfe und Selbstsicherheit bieten kann. Um die Reizüberflutung zu begrenzen, sind auch Medikamente hilfreich. Doch vor allem muss die „Chemie" zwischen Therapeut*in und Patient*in stimmen. Sie ist die Basis der Medikation, nicht umgekehrt. Um Psychosen zu therapieren, steht eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung. Da jede Psychose, jeder Mensch und jede Familie anders ist, ist es wichtig, dass sich die Therapie nach den Bedürfnissen der betroffenen Person und seiner Familie richten.

Die medikamentöse Therapie wird vor allem mit so genannten Antipsychotika durchgeführt. Je nach der im Vordergrund stehenden Problematik wird die Behandlung aber auch mit anderen Medikamenten ergänzt. Die medikamentöse Therapie sollte in Kombination mit psychologischen, sozialen und/oder anderen Therapien angewendet werden. Zahlreiche Therapieverfahren werden bei Psychosen erfolgreich eingesetzt:

•    Psychoedukation
•    Kognitive Verhaltenstherapie (VT)
•    Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP)
•    Suchttherapie
•    Familientherapie
•    Ergotherapie, Kunsttherapie, Tanztherapie
•    Soziotherapie
•    Soziales Kompetenztraining (SKT)
•    Metakognitives Training (MKT), CogPack

Durch die Kombination der verschiedenen Therapien wird ein „Überlaufschutz“ gegen Stress gebildet. Generell ist es wichtig, dass eine Therapie so früh wie möglich begonnen wird. Das gilt für die erste Psychose wie auch im Falle einer erneuten psychotischen Episode, also bei einem Rückfall.

Was können Freunde und Angehörige tun?

Wenn ein Mensch an einer Psychose erkrankt, nimmt er sich und seine Umgebung verändert wahr. Umgekehrt wird er auch seiner Umgebung fremd. Für die nahen Angehörigen, Partner*in oder Freunde ist dies eine Zeit der Verunsicherung und Belastung – schon lange bevor Diagnosen oder gar Hilfsmaßnahmen ins Spiel kommen. Dennoch das Vertrauen zueinander zu bewahren und die Familie funktionsfähig zu halten, ist eine große Herausforderung.

Bei der Begleitung seelischer Krisen benötigen Angehörige Gelassenheit und Aufmerksamkeit zugleich, müssen balancieren zwischen Zuwendung und Begrenzung für die betroffene Person und Rückmeldungen darüber, was sie bei einem selbst auslöst. Sie brauchen Halt untereinander, aber auch professionelle Information und Unterstützung.

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Entscheidungshilfen

1 bis 2 von 100 Menschen

leiden im Laufe ihres Lebens an einer Psychose

Ich habe […] gemerkt, dass er […] der ganzen Familie gegenüber abwesender […], desinteressierter geworden ist. Ein Stück weit auch aggressiver […], dünnhäutiger geworden ist, empfindlicher war.

Mutter eines Psychose-Erfahrenen

In meiner schlimmsten Phase dachte ich, ich könnte hören, was andere Leute über mich denken. [...] In meinen schönsten Phasen war ich davon überzeugt, dass ich die Welt verändern kann und auch werde.

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Am meisten Kraft gibt mir auf jeden Fall meine Freundin. […] Das ist so mein Halt. Mein größter.

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