Trauma

Was ist ein seelisches Trauma?

Ein seelisches Trauma meint eine schwere seelische Verletzung. Sie kann die Folge eines außergewöhnlich belastenden persönlichen Erlebnisses sein. Ein solches Erlebnis kann traumatisierend wirken, wenn eigene Möglichkeiten zur Bewältigung der Situation nicht ausreichen, Betroffene folglich massiv überfordert sind. Dies erzeugt eine extrem hohe seelische Belastung (Stress). In solchen Situationen fühlen sich Menschen oft völlig hilflos, erleben große Angst oder sind entsetzt.

Mögliche traumatisierende Ereignisse sind Situationen von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß, die bei fast jedem Menschen eine tiefe Verzweiflung auslösen würden. Beispiele können Naturkatastrophen, schwere Unfälle, Kriege, der Tod naher Angehöriger, lebensbedrohliche Erkrankungen sowie körperliche oder sexuelle Gewalt sein.

Menschen können auf verschiedene Arten von extrem belastenden Ereignissen betroffen sein. Sie können selbst betroffen sein, dies beobachtet haben (z.B. als Helfende) oder durch die Nachricht des tatsächlichen oder drohenden Todes nahestehender Menschen betroffen sein.

Viele unmittelbare psychische Reaktionen auf sehr belastende Erlebnisse sind normal und kein Ausdruck einer psychischen Erkrankung. Ob ein Ereignis traumatisierend wirkt, hängt auch von den Umständen und den einzelnen Menschen mit ihren persönlichen Erfahrungen ab. Der Anblick einer schwer verletzten Person kann z.B. für auf einen Passanten traumatisch wirken, während er für Rettungskräfte meist zur Routine gehört und nicht traumatisch erlebt wird. Auch die soziale Unterstützung, die Betroffene nach sehr belastenden Ereignissen erleben, hat großen Einfluss darauf, ob eine psychische Problematik (sog. Traumafolgestörung) entsteht.

Welche Situationen können traumatisierend wirken?

Es gibt verschiedene extrem belastende Ereignisse, die unterschieden werden können.

Es gibt durch Zufälle verursachte (z.B. Unfälle, Naturkatastrophen) und durch Menschen ausgelöste Situationen, die traumatisierend wirken können. Letztere sind dadurch gekennzeichnet, dass Menschen anderen Menschen das extrem belastende Ereignis zugefügt haben (z.B. körperliche oder sexuelle Gewalt). Auch schwere Erkrankungen, medizinische Eingriffe und Verlusterfahrungen können traumatisch erlebt werden.

Außerdem wird unterschieden, wie lang die Belastung andauert bzw. wie häufig sie ist. Ein Überfall dauert üblicherweise eher kurz an und ist einmalig, während körperliche Gewalt in einer Partnerschaft lange anhalten kann und über Jahre hinweg immer wieder vorkommen kann.

Bereits in der Kindheit und Jugend erleben viele Menschen traumatisierende Situationen. Bei aktiven Formen fügen Menschen Kindern und Jugendlichen aktiv Gewalt zu. Dies ist zum Bespiel bei körperlicher Gewalt (z.B. Schlagen, Ohrfeigen), sexueller Gewalt oder emotionaler Gewalt der Fall. Sexuelle Gewalt meint alle sexuellen Handlungen, die gegen den Willen des Opfers unter Anwendung von Gewalt, Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage durchgeführt werden. Emotionale Gewalt bedeutet zum Beispiel, einem Kind zu vermitteln, es sei wertlos, werde nicht geliebt, sei in Gefahr oder existiere nur um die Bedürfnisse anderer zu befriedigen. Vernachlässigung gehört zu den passiven Formen, da Kinder hierbei zu wenig von etwas bekommen. Kinder, die körperlich vernachlässigt werden, sind zum Beispiel nicht genug geschützt oder haben zu wenig Nahrung. Kinder, die emotional vernachlässigt werden, bekommen weniger Nähe und Geborgenheit, als sie eigentlich bräuchten.

Wie häufig sind außerordentlich belastende Ereignisse?

In Deutschland erleben ungefähr 24 von 100 Menschen im Laufe ihres Lebens mindestens ein Ereignis, welches traumatisierend wirken kann. Es gibt Unterschiede zwischen Frauen und Männern hinsichtlich der Art der traumatischen Erfahrungen. Mehr Frauen erleben sexuelle Gewalt, während mehr Männer Unfälle, Überfälle und Gefangenschaft im Krieg erleben. Ältere Menschen haben häufiger traumatische Ereignisse im Krieg erlebt als jüngere. Schätzungen zufolge sind 1 bis 13 von 100 Menschen in Deutschland in der Kindheit bereits Opfer sexueller Gewalt geworden.

Flucht und Trauma

Menschen, die z.B. aufgrund von politischer Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen und Terrorismus ihr Heimatland verlassen mussten und infolgedessen Schutz in anderen Staaten suchen, haben deutlich häufiger traumatische Ereignisse erlebt: In einer Studie aus der Schweiz berichteten 88 von 100 Menschen mit Fluchterfahrung mindestens ein traumatisches Ereignis im Laufe ihres Lebens. Am häufigsten erlebten Geflüchtete Gewalt an Mitmenschen (als Zeuge), sahen Leichen oder haben direkte Gewalt gegen die eigene Person erlebt.

Welche Reaktionen auf außergewöhnlich belastende Ereignisse sind typisch?

Mögliche Reaktionen während des Ereignisses

Während des belastenden Ereignisses ist der ganze Organismus meist alarmiert, unter hohem Stress und auf Überleben ausgerichtet. Das kann unterschiedliche Reaktionen zur Folge haben, die von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein können. Zum Beispiel können massive Ängste, Hilflosigkeitsgefühle und Entsetzen auftreten. Einige Menschen fühlen sich auch betäubt, verwirrt oder wie abgeschnitten von sich selbst, anderen oder ihrer Umwelt. Diese Reaktionen klingen in den meisten Fällen einige Zeit nach dem Ereignis wieder ab.

Mögliche Reaktionen nach dem Ereignis

Nach einem außergewöhnlich belastenden Ereignis ist es vollkommen normal, unangenehme Gefühle, Gedanken und körperliche Empfindungen zu erleben.

Die Reaktionen, die während des Ereignisses auftreten, können auch noch eine Zeit lang andauern, wenn das Ereignis vorbei ist (z.B. das Gefühl der Bedrohung). Der Alarmierungszustand des Organismus hält ebenfalls oft noch nach dem Ereignis an. Das kann zu Schlafstörungen, innerer Unruhe und Schreckhaftigkeit führen. Zudem können Niedergeschlagenheit, Schuldgefühle, Selbstvorwürfe oder Ärger hinzukommen. Menschen, die solche Situationen erlebt haben, fällt es häufig schwer zu begreifen, was ihnen passiert ist. Ein gedankliches Kreisen um diese Erlebnisse ist ein Versuch der Psyche, diese nicht normalen Erfahrungen zu verarbeiten.

In den meisten Fällen gehen die Reaktionen nach kurzer Zeit (wenige Stunden bis Tage) vorüber und das Erlebte kann in einen Zusammenhang eingeordnet werden (z.B. „Es war sehr schrecklich, ist jetzt aber vorüber und ich habe es überlebt.“).

Mögliche psychische Traumafolgestörungen

In den meisten Fällen folgt auf ein belastendes Ereignis keine psychische Erkrankung. Wenn das belastende Erlebnis von einer Person nicht ausreichend bewältigt werden kann und die Unterstützung in ihrem Umfeld nicht ausreicht, können die Folgen jedoch so beeinträchtigend sein, dass psychische Erkrankungen entstehen. Dies können zum Beispiel Depressionen, Angst- und Suchterkrankungen, somatoforme Störungen, dissoziative Störungen, akute Belastungsreaktionen, posttraumatische Belastungsstörungen sowie Anpassungsstörungen sein.

Bestehen noch Jahre oder Jahrzehnte nach extremer Belastung von katastrophalem Ausmaß deutliche Einschränkungen, können sich tiefgreifende Störungen entwickelt haben. Menschen mit solchen Schwierigkeiten können zum Bespiel zusätzlich dauerhaft starke Probleme im Umgang mit eigenen Gefühlen und anderen Menschen haben und eine sehr negative Sichtweisen auf die eigene Person entwickeln.

Akute Belastungsreaktion

Als direkte Folge auf ein traumatisches Erlebnis kann eine akute Belastungsreaktion eintreten, die in der Regel nach wenigen Stunden bis Tagen vorüber geht.

Es können verschiedene Beschwerden auftreten. Beispielsweise spüren einige Menschen keine Gefühle mehr, fühlen sich teilnahmslos, verwirrt und ziehen sich zurück. Einige fühlen sich weiterhin stark bedroht und sind körperliche sehr unruhig. Manche Menschen können sich an das Ereignis nicht mehr erinnern oder haben das Gefühl, dass die eigene Person, andere Personen (Depersonalisation) oder die Umgebung (Derealisation) verändert, fremd oder unwirklich wirken.

Diese Beschwerden können mit Ängsten, depressiven Verstimmungen, körperlichen Beschwerden und Gebrauch von Substanzen wie z.B. Alkohol oder Medikamenten einhergehen.

Posttraumatische Belastungsstörung

Wenn diese seelischen Beschwerden länger als 4 Wochen in einer sehr belastenden Form andauern, kann eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliegen. Die Beschwerden können dabei auch verzögert, also erst einige Zeit nach dem traumatischen Ereignis erstmals auftreten.

Was können Betroffene tun, um belastende Erlebnisse gut zu bewältigen?

Nach einem oder mehreren außergewöhnlich belastenden Ereignissen sollte die Bedrohung beendet und die größtmögliche Sicherheit hergestellt werden. Bei Unfällen und größeren Notlagen helfen dabei Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste. Für die seelische Unterstützung während oder kurz nach solchen Ereignissen sind vielerorts Einsatzkräfte der Psychosozialen Notfallversorgung verfügbar (z.B. Notfallseelsorge oder Kriseninterventions-Teams). Bei Gewalt durch Fremde oder innerhalb von Beziehungen oder Familien können die Polizei und andere Ansprechstellen (wie z.B. vertrauliche Telefonberatung, Opferberatungsstellen, Frauenhäuser oder Jugendämter) weiterhelfen.

Während und nach kritischen Situationen ist der erlebte Verlust von Sicherheit und Kontrolle oft besonders belastend. Daher ist es für Betroffene nach solchen Erlebnissen sehr wichtig, neben ihrer Sicherheit auch möglichst viel Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen. So kann es hilfreich sein, möglichst viel selbst zu bestimmen (z.B. wen möchte ich jetzt gerne bei mir haben, wo möchte ich jetzt sein, etc.).

Die möglichen psychischen Folgen der Erlebnisse kosten viel Kraft, weshalb die Belastbarkeit von Betroffenen meist zunächst sinkt. Dann ist es günstig, für eine gewisse Entlastung zu sorgen und angenehme und erholsame Situationen aufzusuchen. Bei hoher Anspannung kann mäßige körperliche Aktivität helfen und bei Belastung durch sich aufdrängende Erinnerungen ist oft das Ausüben vertrauter Tätigkeiten hilfreich.

Vertraute Personen oder ausgebildetes Personal können dabei unterstützen, mit der erlebten Extremsituation umzugehen. Diesen vertrauenswürdigen Personen in einem Maß vom Erlebten zu erzählen, das erleichtert, aber nicht überfordert, kann die Bewältigung fördern.

Wer in den ersten Tagen und Wochen nach dem belastenden Ereignis weiterhin stark unter den Folgen leidet oder Schwierigkeiten im Alltag bekommt (z.B. Überforderungsgefühl), sollte ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe aufsuchen. Auch wenn starke Ängste, körperliche Anspannung, das Gefühl betäubt zu sein, Wiedererleben der traumatischen Situation, Vermeidung der Erinnerung an die traumatische Situation, Risikoverhalten (z.B. vermehrten Alkohol- oder Drogenkonsum) oder ähnliche Beschwerden nach der Situation weiter anhalten, ist es ratsam, ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe auszusuchen.

Wie können andere helfen?

Direkte Unterstützung während der potenziell traumatisierenden Situation

Wie beschrieben, gehen potenziell traumatische Ereignisse oft mit starken Hilflosigkeits- und Kontrollverlustgefühlen einher. Daher sollte jede Unterstützung dazu beitragen, dass Betroffene eigene Bewältigungsfähigkeiten erkennen und nutzen (Erhöhung von „Selbstwirksamkeitserleben“). Eine Möglichkeit dafür ist, betroffene Personen möglichst selbst bestimmen zu lassen, was für sie jetzt hilfreich wäre. Um Sicherheit zu vermitteln und zusätzliche Orientierung zu bieten, kann es hilfreich sein, mit Betroffenen möglichst ruhig, klar und deutlich zu sprechen. Helfende sollten betroffene Personen nur mit deren ausdrücklichem Einverständnis berühren. Manchmal wird auf Grund negativer Vorerfahrungen sowie großer Angst und Anspannung eine freundlich gemeinte Berührung als bedrohlich erlebt.

Unterstützung durch nahestehende Personen nach der potenziell traumatisierenden Situation

Für Betroffene ist es wichtig, dass nahestehende Menschen ihre Reaktion als normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis anerkennen und für sie da sind. Wenn die betreffende Person mit ihren nahestehenden Menschen über das Erlebte sprechen möchte, kann dies ebenfalls sehr hilfreich sein. Hier ist es besonders empfehlenswert da zu sein, zuzuhören und nicht über das Erzählte zu urteilen, da betreffende Personen sich manchmal selbst bereits heftige Vorwürfe machen. Alle sollten jedoch auch auf ihre eigenen Belastungsgrenzen achten und gegebenenfalls vorschlagen, professionelle Hilfe miteinzubeziehen. Gerade, wenn nahestehende Menschen die Situation selbst miterlebt haben und somit selbst betroffen sind, kann es hilfreich sein mit anderen, nicht betroffenen Personen zu sprechen, um sich nicht gegenseitig zu stark zu belasten.    

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